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Die Qualität der Medien

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Als Kurt Imhof letztes Jahr zum ersten Mal das Jahrbuch der Qualität der Medien herausgab, war das Geschrei in der Branche gross. Wie konnte es dieser Soziologe wagen, unsere prachtvollen Medien zu kritisieren? Ihnen vorzuwerfen, sie würden die Bürger nicht mehr richtig informieren, zu Softnews neigen und die Boulevardisierung einfach mitmachen, verstanden wohl viele Medienschaffende als persönlichen Angriff auf ihre anspruchsvolle Arbeit. Schliesslich kämpften sie doch gegen das böse Internet, um ihr Überleben. Und als sie sich einigermassen gefangen hatten, im Internet auch mal Geld verdienten, kam dieser Imhof daher und sagte, dass eben diese Gratiskultur und die erfolgreichsten Innovationen der Printbranche, die Gratiszeitungen, Schuld an der Misere seien. Eine Qualitäts-Misere, die seine Studie belegen sollte. Das Getöse war ziemlich gross.


Nun hat die Forschungsgruppe des fög (Forschungsbereich für Öffentlichkeit und Gesellschaft) der Universität Zürich um Kurt Imhof letzte Woche das zweite Jahrbuch veröffentlicht. Auf 568 Seiten bestätigen sie die Befunde des Vorjahres und erweitern diese um etliche Punkte. Softnews sind noch immer im Vormarsch. Hintergrundberichte verschwinden immer mehr, was unter anderem den Gratismedien zugeschrieben wird. Agenturmeldungen werden häufig nicht als solche ausgewiesen und PR-Meldungen bestimmen die Unternehmensberichterstattung. Alles in allem eine weitere Graustufe dunkler im düster gemalten Medienbild.


Wie letztes Jahr reagieren viele Journalisten mit direkter Ablehnung und Empörung auf die Kritik und zeigen damit, wie man es nicht machen sollte. Das Feld der Zornigen führt Peter Wälty mit flammender Fackel an. Der Chefredaktor von Tagesanzeiger.ch dreht den Spiess einfach um und wirft Kurt Imhof die Erfindung eines neuen Wissenschaftszweigs vor, die Empörungswissenschaft. Die Studie sei nichts anderes als wissenschaftlicher Boulevard. Doch anstatt seine Behauptung mit Fakten zu untermauern und die Kritik der Studie zu entkräften, hängt er sich an Kleinigkeiten auf. Da sei die eine Zahl völlig falsch und da sei der andere (bereits korrigierte) Fehler unterschlagen worden und sowieso treffen die Aussagen zu Reichweite und Umsatz von Tagesanzeiger.ch überhaupt nicht zu. Zur Qualität der Medien kein Wort. Imhof hat auf medienspiegel.ch bereits auf die Kritik der Kritik geantwortet.


Es ist eindeutig die falsche Strategie, die ganze Studie wegen einzelnen methodischen Streitigkeiten anzuzweifeln. Es scheint so, als wolle man die Kritik nicht hören. Sich einfach taub stellen. Dieses Wissenschaftsgetue direkt im Keim ersticken. Vielleicht auch etwas ablenken.


Jedoch sollten sich besonders die Online-Medien der Kritik stellen. Denn es tauchen selbstverständlich Fragen auf in Bezug auf die neuen Mechanismen. Wie wichtig sind denn Klick-Zahlen bei der Story-Auswahl? Gibt es überhaupt noch Platz für investigative Hintergrundberichte, wenn im Minutentakt neue Artikel raus müssen? Verzichtet man bald auf schlecht beklicktes Nischenmaterial? Steuern wir auf einen Mainstreameinheitsbrei zu? Oder sind wir da längst angekommen?


Es sind Fragen, die berechtigt sind. Es zeugt von einer gewissen Selbstherrlichkeit, sie nicht einmal richtig ernst zu nehmen. Ein Stückchen Wahrheit wird wohl jeder Verleger in der Studie finden und das hilft ihm nur, sein Produkt zu verbessern. Und schliesslich gibt es keine bessere Antwort auf die Kritik, als einfach gute Arbeit abzuliefern.


Update 12.10.11: Auf medienspiegel.ch ist ein beachtenswerter Artikel von Edgar Schuler erschienen, der die Debatte aus der Perspektive der Journalisten wunderbar zusammenfasst.


Update 15.10.11: Hansi Voigt ist Chefredaktor von 20 Minuten Online und hat ebenfalls einen spannenden Kommentar zur Studie geschrieben. Auch er rechnet nicht zimperlich mit Kurt Imhof ab.



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